JURY STATEMENT
Meret Eberl fängt die Erfahrungswelten ihrer Protagonist*innen auf die beste Art nicht vollends ein. In ihren Kompositionen gibt es Platz für Fragen und genügend Raum für das Menschliche. Queere Menschen sind meist kein Entweder Oder, sie tragen vielschichtige Intersektionen in und mit sich und behaupten sich held*innenhaft jeden Tag aufs Neue, besonders in einem mehrfach diskriminierten Kontext wie als nicht-binäre Person in der Sexarbeit.
NBSW
dokumentiert Erfahrungswelten nicht-binärer Sexworker*innen. Meret Eberl wählt dabei eine zurückhaltend klare, ruhige Bildästhetik. Sie zeigt hauptsächlich Einzelportraits und ergänzt diese mit Interieur, Landschaft und einem Doppelportrait. Ihre Subjekte schauen uns mal an und mal nicht, meist sind ihre Körper entspannt oder in Bewegung, in leicht geschwungener Pose. Die Serie umgeht plakative, voyeuristische Klischees und öffnet viel mehr identifkatorische Räume, in welchen es eine Ordnung gibt, aber noch nicht alles ausgemacht ist.
Die Autorin schreibt: „In ‚NBSW‘ geht es um die Erfahrungen von nicht-binären Menschen, die in der Sexarbeit tätig sind oder waren und so immer wieder für ihre Existenzberechtigung in der persönlichen, aber auch beruflichen Entfaltung einstehen müssen. Dies spiegelt auf mehreren Ebenen zentrale Aufgaben im Leben eines jeden Menschen wider: die Suche nach der eigenen Identität und damit nach einem sicheren Platz in unserer Gesellschaft. Wer sich außerhalb gesellschaftlich akzeptierter Kategorien bewegt, sieht sich mit der Möglichkeit der Prekarisierung in allen Lebensbereichen konfrontiert. Daher sind diese Diskussionen nach wie vor notwendig und beeinflussen die Entscheidungen über die Lebensgrundlagen ganzer Gruppen von Menschen.“
BIOGRAFIE
Meret Eberl (geb. 2000 in Köln) arbeitet als freie Fotografin in Berlin, sowie als Assistentin im Archiv von Ute Mahler und Werner Mahler. Nach ihrer ersten intensiven Begegnung mit Design und Fotografie 2018 in Leipzig, zog sie nach Berlin, um an der Ostkreuzschule für Fotografie zu studieren. 2023 machte sie ihren Abschluss in der Klasse von Ina Schoenenburg. Ihr besonderes Interesse gilt der Erforschung von Identität und sozialen Strukturen – der Suche nach einem Platz in sich selbst und der Gesellschaft. Sie nähert sich diesen komplexen Themen durch analoge Porträts und Stillleben.